PERSPEKTIVEN am Morgen

von Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank

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 Dr. Ulrich Stephan

1. November 2022

Liebe Leserinnen und Leser,

schwache Quartalszahlen sorgen für Kursrücksetzer an den US-Aktienmärkten, Verbraucherpreis- und Kerninflation in der Eurozone erreichen Allzeithochs, und Chinas Wirtschaft könnte im Oktober leicht geschrumpft sein.

Berichtssaison USA: Quartalsergebnisse belasten den Aktienmarkt

In den USA haben mittlerweile die Hälfte der Unternehmen des S&P 500 – die zwei Drittel der Marktkapitalisierung repräsentieren – ihre Quartalsergebnisse vorgelegt. Im Vorjahresvergleich sind die berichteten Umsätze um rund zwölf, die Gewinne um 2,5 Prozent gestiegen und damit jeweils etwas stärker, als Analysten erwartet hatten. Energie-, Gesundheits- und Finanzunternehmen haben besonders positiv überrascht; sie übertrafen die Gewinnprognosen im Schnitt um 6 bis 13,5 Prozent. Industrie- und Kommunikationskonzerne verfehlten die Erwartungen hingegen um sieben beziehungsweise um vier Prozent und somit am stärksten. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass Analysten ihre Prognosen im Vorfeld der Berichtssaison bereits merklich gesenkt hatten – entsprechend sorgten schwache Quartalszahlen für ungewöhnlich hohe Kursrücksetzer. Auch mit Blick auf die Zukunft werden Analysten pessimistischer. Zu Monatsbeginn hatten sie noch ein Gewinnwachstum von 5,8 Prozent im vierten Quartal erwartet – mittlerweile erwarten sie nur noch ein Plus von 2,6 Prozent. Für 2023 senkten sie ihre Prognose von 7,2 auf 6,6 Prozent. 

Vor dem Hintergrund der leichten Rezession, die ich und viele andere Volkswirte 2023 in den USA und Europa erwarten, erscheint mir selbst dies noch zu optimistisch. Üblicherweise sinken die Gewinne in Rezessionen spürbarer. Weitere Prognoseanpassungen könnten im Quartalsverlauf die laufende Kursrally ausbremsen.

Europa: Inflation übersteigt Zehn-Prozent-Marke

Die Verbraucherpreisinflation in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion lag einer ersten Schätzung zufolge im Oktober bei 10,7 Prozent – ein Rekordwert. Auch die Kerninflationsrate verzeichnete mit fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr ein Allzeithoch. Die angedeutete mögliche vorsichtigere Haltung des EZB-Rats in Bezug auf die weiteren Zinsschritte bei den kommenden Sitzungen erscheint vor dem Hintergrund weiter steigender Inflationsraten verfrüht. Die Renditen an den Staatsanleihemärkten stiegen in Reaktion auf die Verbraucherpreise wieder moderat an, nachdem sie in der letzten Woche sukzessive nachgegeben hatten. Für den weiteren Leitzinspfad dürfte entscheidend sein, ob die Verbraucherpreisinflation im November gegenüber Vorjahr erneut höher liegt oder ob die Spitze des Preisdrucks mit dem gestrigen Datenpunkt bereits erreicht worden ist. Weitere Inflationsüberraschungen dürften zu einer neuerlichen Anpassung der Erwartungen über die zukünftige Zentralbankpolitik führen. Für die europäischen Staatsanleihemärkte bedeuten die abermals höher als erwarteten Inflationsraten weitere große Schwankungen.

Berichtssaison Europa: Baustoffhersteller mit gemischten Impulsen

Die Berichtssaison der europäischen Hersteller für Baustoffe – die im STOXX 600 Construction & Materials zu finden sind – hat begonnen und könnte gemischte Impulse für Aktien der Branche bringen. Analysten und Anleger werden von den Unternehmen Erläuterungen zu Stornierungs- und Verzögerungsmeldungen im Bau erwarten. In einer Umfrage des ifo Instituts beispielsweise haben im September knapp 17 Prozent aller befragten hiesigen Wohnungsbauunternehmen angegeben, von Stornierungen betroffen zu sein. Eine infolge der schwächelnden Wirtschaft und steigenden Finanzierungszinsen abnehmende Nachfrage würde es den Baustoffunternehmen erschweren, Kostensteigerungen bei Grundstoffen und Energie weiterhin an ihre Kunden weiterzureichen. Ich erwarte entsprechende Aussagen von Unternehmen, die den Wohnungsbau beliefern. Konzerne, deren Produkte etwa für öffentliche Projekte beziehungsweise im Verkehrsbau benötigt werden, dürften hingegen weniger sorgenvolle Töne anstimmen. Insgesamt würde ich mit dem Einstieg in den Sektor noch warten. Zwar sind die Bewertungen bereits deutlich gefallen, doch erscheinen mir die Gewinnerwartungen noch zu hoch.

Chinas Wirtschaft im Oktober verlangsamt

Chinas Wirtschaft könnte im Oktober leicht geschrumpft sein – darauf deuten die gestern veröffentlichten NBS-Einkaufsmanagerindizes hin. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe sank von 50,1 auf 49,2 Punkte; die Aktivität im Dienstleistungsbereich verlangsamte sich von 50,6 auf 48,7 Zähler. Analysten hatten mit etwas milderen Rückgängen gerechnet. Zurückzuführen ist die Verlangsamung auf wieder aufflammende Corona-Infektionszahlen sowie auf die sich eintrübende globale Konjunktur. Analystenschätzungen zufolge weisen Städte – die für knapp 50 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung stehen – Bezirke mit mittlerem oder hohem Infektionsrisiko auf, womit sie Lockdowns unterliegen. Im Mittel des dritten Quartals lag die Einschränkung noch bei etwa 30 Prozent der Wirtschaftsleistung. Entsprechend könnten sich die Unternehmensgewinne zum Anfang des letzten Jahresviertels ebenfalls schwächer entwickeln als erwartet. Für langfristig orientierte und risikoaffine Anleger bietet der chinesische Aktienmarkt aber weiterhin interessante Möglichkeiten. Zwar dürfte der Aufschlag für chinesische Aktien wegen der politischen Risiken länger erhöht bleiben, mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von gut acht sind die Werte des MSCI China aber so günstig bewertet wie seit 2009 nicht mehr. Die Dividendenrendite liegt mit 3,3 Prozent deutlich über dem 15-jährigen Mittel und ist bei einer Gewinnrendite von zwölf Prozent gleich mehrfach gedeckt.

Europäische Aktien auf dem Prüfstand

Die europäische Wirtschaft kühlt sich ab. Gleichzeitig bleibt die Inflation hoch – um dem entgegenzuwirken, heben die Währungshüter der Europäischen Zentralbank die Zinsen an. Wie interessant sind europäische Aktien in diesem Umfeld? Das erfahren Sie von mir im Gespräch mit Finanzjournalistin Jessica Schwarzer.

Was diese Woche wichtig wird

    Dienstag

    • USA | JOLTS-Stellenangebote im September. Es wird ein Rückgang der offenen Stellen auf unter 10 Millionen erwartet. Sollte die Anzahl der freien Stellen stärker gesunken sein, könnte dies Inflationsängste mildern, und Anleihen- sowie Aktienkurse anschieben.
    • USA | ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe im Oktober. Die Aktivität könnte weiter nachgelassen und die Fertigende Industrie auf Stagnationskurs gebracht haben. Dies sollte den Außenwert des US-Dollars drücken.

    Mittwoch

    • Deutschland | Die Arbeitslosenquote wird im Oktober unverändert bei 5,5 Prozent erwartet.
    • USA | ADP-Beschäftigungsänderung im Oktober. Der Arbeitsmarkt könnte sich mit einem erwarteten Beschäftigungsanstieg von 200.000 Personen weiterhin robust zeigen. Die Märkte dürften dies kritisch beäugen, schließlich bliebe damit der Inflationsdruck hoch.
    • USA | Zinsentscheid der Fed. Eine Anhebung des Leitzinses um 0,75 Prozentpunkte auf vier Prozent scheint angesichts der hohen Kerninflationsrate von 6,6 Prozent im September beinahe ausgemacht. Besonders die Kommentare von Jerome Powell zum zu erwartenden Straffungskurs könnten die Märkte bewegen.

    Donnerstag

    • Japan | Die Tokioter Börse bleibt feiertagsbedingt geschlossen.
    • Eurozone | Die Arbeitslosenquote könnte im Oktober auf ihrem Rekordtief von 6,6 Prozent verharren.
    • UK | Zinsentscheid der Bank of England. Die Inflationsrate erreichte zuletzt 10,1 Prozent – ein 40-Jahres-Hoch. Die Währungshüter dürften daher das Straffungstempo anziehen und den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf drei Prozent anheben. Dies sollte das Pfund Sterling stützen.
    • USA | ISM-Index Dienstleistungssektor im Oktober. Der aufgestaute Bedarf an Dienstleistungen dürfte dem Sektor erneut zu dynamischem Wachstum verholfen haben, wenngleich das Tempo etwas nachgelassen haben sollte.
    • USA | Der Auftragseingang in der Industrie könnte im September leicht gestiegen sein.

    Freitag

    • Deutschland | Der Auftragseingang der Industrie könnte im September wegen der Energiekrise zurückgegangen sein. Die zukünftigen Gewinne der Unternehmen würden darunter leiden.
    • Eurozone | Es könnte sich eine leichte Entspannung bei der Teuerungsrate der Produzentenpreise im September abzeichnen. Analysten erwarten einen Anstieg von 41,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr; im August lag die Rate noch bei 43,3 Prozent.
    • USA | Die Arbeitslosenquote dürfte im Oktober bei 3,5 Prozent verharren. Gleichzeitig könnte die Beschäftigungszahl außerhalb der Landwirtschaft um 200.000 Personen gestiegen sein. Damit bliebe der Arbeitsmarkt weiterhin sehr robust und die Gesamtnachfrage auf einem inflationstreibenden Niveau. Zunehmende Zinssorgen könnten den Markt daher belasten.

              Zahl des Tages: 3.878

              Kann auch ein unechtes Lächeln die Stimmung heben? Die „Many Smiles Collaboration“ ist dieser These nachgegangen, die schon Charles Darwin Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigt hat. Eine Studie mit 3.878 Probanden aus 19 Ländern ergab, dass das reine Nachahmen eines lächelnden Gesichtsausdrucks oder das Hochziehen der Mundwinkel reicht, um Glücksgefühle hervorzurufen oder bestehende zu verstärken. Faken ist in dem Fall erlaubt und kann ein erster Schritt für bessere Laune sein.

              Zeigen Sie heute Ihr schönstes Lächeln.

              Herzlichst

              Ihr Ulrich Stephan

              Chefanlagestratege Privat- und Firmenkunden

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